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Brockhaus
Name a Abrüstung*
ID b brhe•e15•v21•b•A•Abrüstung
Category d entry
Attributes
PageID q p00300—p00400
Scan v Abrüstung
Text w

Der Große Brockhaus, 15. Aufl., Ergänzungsband A—Z (1935), S. 3—4.

Abrüstung. Realpolitisch bedeutet die A. eine Verminderung und Begrenzung der milit. Rüstungen, die ein Wettrüsten verhindern und den Frieden sichern soll. Die einseitige und erzwungene A. des Deutschen Reichs, Österreichs, Ungarns und Bulgariens auf Grund des → Versailler Vertrags (Bd. 19) und der andern Pariser Vorortverträge von 1919/20 ist bis 1927/28 (Aufhebung der interalliierten → Militärkontrolle, Bd. 12) durchgeführt worden. Diese Entwaffnung der Besiegten des Weltkriegs sollte aber, der Einleitung zum Teil V des Versailler Vertrags und dem Art. 8 der Völkerbundssatzung (→ Völkerbund, Bd. 19) zufolge, nur der erste Schritt zur allgem., gegenseitigen und freiwilligen A. im Sinne einer vertraglichen Einschränkung der staatl. Wehrfreiheit und einer Festlegung von möglichst niedrigen Rüstungsverhältnissen sein; beide Arten der A. stellen zwei zeitlich getrennte Stadien der Durchführung einer gegenseitigen, gleichartigen Verpflichtung dar.
Die franz. Politik konnte jahrelang die → Sicherheitsfrage (Bd. 17) als unübersteigbares Hindernis gegen jede Inangriffnahme der Abrüstungsfrage aufrichten, wie sie die Pflicht des Völkerbundes auf Grund des Art. 8 seiner Satzung war. Erst nach Abschluß des Locarnopakts beschloß der Völkerbundsrat endlich am 12. Dez. 1925 die Bildung einer »Vorbereitenden Kommission für die Abrüstungskonferenz«. Sie trat am 15. Febr. 1926 zusammen und nahm nach langen Verhandlungen, bei denen Frankreich zur Rechtfertigung seines hohen Rüstungsstandes bes. den Begriff des → Potentiel de guerre (Bd. 15) verwendete, am 9. Dezember 1930 ihren sog. Konventionsentwurf an, einen Entwurf zu einem Abkommen über eine allgem. Herabsetzung und Beschränkung der Rüstungen. Obwohl die Entwaffnung des Deutschen Reichs im Versailler Vertrag ausdrücklich als Vorleistung auf die allgem. A. festgesetzt worden war, nahm die Vorbereitende Abrüstungskommission die deutsche A. nicht als Vorbild für die allgemeine A. an, sondern suchte auf Grund eines schon früher vorbereiteten Fragebogens neue, viel weniger einschneidende Methoden der Rüstungsverminderung und -beschränkung, auf denen sie ihren Konventionsentwurf aufbaute. Vor allem ließ der Entwurf die ausgebildeten Reserven, deren Ansammlung dem Reich durch das Verbot der allgem. Wehrpflicht und jeder Wehrbetätigung außerhalb der Armee untersagt war, unberücksichtigt, ebenso das Kriegsmaterial des Landheeres, das dem Reich bis ins einzelne vorgeschrieben oder ganz verboten war. Ferner wurde in den Entwurf ein Art. 53 eingefügt, der ausdrücklich besagte, daß es für die Besiegten des Weltkriegs ein für allemal bei den Abrüstungsbestimmungen der Diktate von 1919/20 zu verbleiben habe. Die Vorbereitende Abrüstungskommission wollte also das Versailler Diktat noch zuungunsten des Reichs verschlechtern, seine einseitige A. entgegen dem vertraglichen Recht zu einer dauernden machen und ihm die Gleichberechtigung grundsätzlich versagen. Das Reich lehnte deshalb den Konventionsentwurf ab.
Die allgemeine Abrüstungskonferenz, amtlich als »Konferenz zur Herabsetzung und Begrenzung der Rüstungen« bezeichnet, deren Einberufung der Völkerbundsrat am 24. Jan. 1931 beschloß, trat am 2. Febr. 1932 in Genf zusammen (Genfer Abrüstungskonferenz). Vorsitzender wurde der Engländer Henderson; die deutsche Abordnung führte Nadolny, die franz. Abordnung Paul-Boncour. Außer den Mitgliedsstaaten des Völkerbundes beteiligten sich auch die Ver.St.v.A. und die Sowjetunion an der Konferenz. Die deutsche Politik vertrat hier zwei Forderungen: A. der andern Staaten nach den Methoden und Maßstäben der deutschen A. und dadurch wehrpolit. Gleichberechtigung für das Reich. Es zeigte sich aber bald, besonders während der Verhandlungen der technischen Ausschüsse der Konferenz über die Bestimmung der Angriffswaffen, daß die andern Staaten, namentlich Frankreich, nicht bereit waren, die gleichen oder ähnl. Rüstungsbeschränkungen zu übernehmen, wie sie dem Reich im Versailler Vertrag auferlegt waren. In der Entschließung, durch die sich die Konferenz am 23. Juli 1932 für ein Vierteljahr vertagte, wurde dies endgültig klargestellt. Die franz. These »Weder A. der Hochgerüsteten noch Gleichberechtigung für die Abgerüsteten« setzte sich ebenso wie in der Vorbereitenden Abrüstungskommission durch. Infolgedessen lehnte Nadolny die Vertagungsentschließung mit dem Hinweis ab, das Reich werde an der Konferenz nicht mehr teilnehmen, wenn seine Gleichberechtigung nicht anerkannt werde. Am 29. Aug. eröffnete der Reichsaußenminister v. Neurath unmittelbare Verhandlungen mit Frankreich und England über die Gleichberechtigungsfrage. Sie führten zu scharfen Auseinandersetzungen; in der Note vom 14. Sept. sagte das Reich die weitere Beteiligung an den Arbeiten der Konferenz auf. Doch am 11. Dez. 1932 konnte eine Erklärung der Großmächte (Deutsches Reich, England, Frankreich, Italien und Ver.St.v.A.) unterzeichnet werden, die den Grundsatz der Gleichberechtigung festlegte. Darauf kehrte das Reich zur Konferenz zurück. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen legte der engl. Ministerpräsident MacDonald am 16. März 1933 einen Entwurf zu einem allgem. Abkommen über Herabsetzung und Begrenzung der Rüstungen in 96 Artikeln vor; der Art. 96 bestimmte den Ersatz des Teils V des Versailler Vertrags durch das neue Abkommen und damit die grundsätzliche wehrpolit. Rechtsgleichheit des Reichs mit den andern Staaten. Dieser Plan wurde am 8. Juni einstimmig als Grundlage des zukünftigen Abrüstungsabkommens angenommen. Als aber England dann infolge franz. Drucks die Grundlinien des MacDonald-Plans verlassen wollte und die Verwirklichung der deutschen Gleichberechtigung wieder in Frage stellte, erklärte das Reich am 14. Okt. 1933 den Austritt aus der Abrüstungskonferenz und zugleich aus dem Völkerbund. In der Folgezeit fanden erneute Verhandlungen zwischen den Großmächten über die Gleichberechtigungsfrage statt. Reichskanzler Adolf Hitler stellte den Nichtabrüstungswillen der hochgerüsteten Staaten als erwiesen fest und verlangte die sofortige Verwirklichung der milit. Gleichberechtigung des Reichs durch den Aufbau einer deutschen Wehrmacht von 300 000 Mann mit allen nötigen Verteidigungswaffen. England und Italien stimmten diesen Forderungen zu; der franz. Außenminister Barthou aber lehnte sie am 17. April 1934 ab und verlangte die Rückkehr des Reichs zur Abrüstungskonferenz, um dort die Sicherheitsfrage als Hindernis vor die deutsche Gleichberechtigung zu schieben.
Seit dem 14. Okt. 1933 führt die Abrüstungskonferenz nur noch ein Scheinleben; sie ist am Nichtabrüstungswillen der hochgerüsteten Mächte, bes. Frankreichs, gescheitert. Die Nichterfüllung ihrer Abrüstungspflicht durch die andern Unterzeichner des Versailler Vertrags und das Versagen des Völkerbundes bei der Durchführung des Art. 8 seiner Satzung haben die moralischen und rechtl. Voraussetzungen für die Verbindlichkeit des Teils V des Versailler Vertrags über die deutsche Entwaffnung zerstört. Die Gleichberechtigung des Deutschen Reichs ist von der Abrüstungskonferenz ausdrücklich und ein für allemal anerkannt worden; dies Anerkenntnis gilt unabhängig davon, ob ein Abkommen über eine internationale Regelung der Rüstungsfrage zustande kommt oder nicht. Das Recht auf Verteidigung und die wehrpolit. Gleichberechtigung sind zudem naturrechtl. Ansprüche, die keinem Volk bestritten werden können, und gehören zu den Grundrechten jedes Staates. Aus dieser Sachlage und aus der fortgesetzt gesteigerten Aufrüstung der andern Mächte zog die Reichsregierung am 16. März 1935 die für die Sicherheit des Reichs notwendigen Folgerungen und erklärte die Wiedereinführung der Wehrpflicht (Aufbau eines Landheeres von 36 Divisionen). Der Aufbau einer deutschen Militärluftmacht war schon kurz vorher verkündet worden. Dies bedeutet die Wiederherstellung der milit. Großmachtstellung des Reichs und die völlige Beseitigung der Versailler Entwaffnungsbestimmungen.
Die Begrenzung und Herabsetzung der Rüstungen zur See ist außerhalb des Versailler Vertrags und des Völkerbunds versucht und auch z. T. durchgeführt worden, zunächst durch die → Abrüstungskonferenz von Washington (Bd. 1) 1921/22 und dann durch die Abrüstungskonferenz von London 1930 (→ Londoner Konferenzen 10, Bd. 11). Die Gültigkeit der Verträge von Washington und London ist bis zum 31. Dez. 1936 beschränkt. Das deutsch-engl. Abkommen vom 18. Juni 1935 hat die Stärke der künftigen deutschen Kriegsflotte auf 35 v. H. der britischen festgelegt.
Das österreichische Bundesheer zählte am 1. Jan. 1927: 20 225 Mann, 26 Batt. mit zusammen 90 Geschützen, 6 Minenwerferbatt. mit zusammen 60 Minenwerfern, 180 schwere Maschinengewehre.
References x
J. V. Steffes: Die A. (1932); K. Schwendemann: A. und Sicherheit (2. Aufl. 1932), Gleiches Recht und gleiche Sicherheit (1934): A. Grabowski und Rich. Schmidt: Deutschlands Kampf um Gleichberechtigung (Sonderheft der Ztschr. für Politik, 1934); H. Rohde: Die Welt in der Aufrüstung (1935).

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