Der Große Brockhaus, 15. Aufl., Ergänzungsband A—Z (1935), S. 8—9.
✶Afghanistan. Staatsrechtliche Stellung, Verfassung. A. hat eine Verfassung v. 31. Okt. 1931 nach dem Vorbild der pers. Verfassung von 1906 und 1907 bekommen. Die Staatsgewalt liegt im wesentlichen in den Händen des Königs (Scheichs) und seines Ministeriums. Die Krone ist erblich im Mannesstamm der Familie des Königs Nadir Chan.
Finanzen. Die Staatseinnahmen sind beträchtlichen Schwankungen unterworfen. Sie bestehen zum größten Teil aus Zöllen und werden auf ungefähr 150 Mill. Rupien geschätzt. Die 1932 neu gegründete Nationalbank hat neuerdings das Recht erhalten, auf Afghanis (Parität: 100 Afghanis = 11¹/₃ ind. Rupien) lautende Währungszettel und Banknoten auszugeben, die durch Silber gedeckt und den Rupiemünzen als gesetzl. Zahlungsmittel gleichgestellt sind.
Wehrmacht. Seit der letzten Revolution (1929) besteht keine allgem. Wehrpflicht mehr. Die Dauer des freiwilligen Heeresdienstes beträgt 2 Jahre, die Gesamtheeresstärke etwa 72 000 Mann.
Geschichte. Nach dem Vorbild der Türkei (Mustafa Kemal Pascha) und Persiens (Risa Schah) suchte König Aman Ullah sein Land der europ. Zivilisation zu erschließen. Aber sein überstürzter Reformeifer stieß in den streng islam. Kreisen auf hartnäckigen Widerstand und entfesselte einen Aufstand; im Jan. 1929 dankte der König ab und verließ das Land. Der Rebellenführer Batscha-i-Sakha (Habib Ullah II.) vermochte sich einige Zeit in Kabul zu halten. Doch wurde Aman Ullahs Vetter Nadir Chan im Oktober 1929 zum König ausgerufen; er ließ den besiegten Rebellenführer erschießen. Der größte Teil der Reformpläne Aman Ullahs wurde nun aufgegeben. Als Nadir Chan im Nov. 1933 ermordet wurde, folgte ihm sein junger Sohn Sahir.