Der Große Brockhaus, 15. Aufl., Ergänzungsband A—Z (1935), S. 47—48.
Armenkolonien, Ansiedlungen von Beziehern öffentl. Unterstützung auf kleinen landw. Betrieben mit dem Ziel, ihnen zu wirtschaftl. Selbständigkeit zu verhelfen und sie dadurch zu nützlichen Gliedern des ganzen zu machen. Grundsätzlich muß man zwei Arten von A. unterscheiden: die
freien A., in denen auf der Grundlage freier Vertragsabschlüsse den Armen ein kleines Pachtgut überlassen wird, an dem sie unter Umständen später Eigentum erwerben können, und die
Zwangs- oder Strafkolonien, in denen die Armen zwangsweise für einen bestimmten Mindestaufenthalt untergebracht werden und in großen kasernenmäßigen Gebäuden nach. militärähnl. Ordnung ein geregeltes Arbeitsleben zu führen haben, um dadurch einen erzieherischen und bessernden Einfluß auf sie auszuüben. Um die Wende des 18. Jahrh. sind zahlreiche Versuche, A. zu gründen, unternommen worden, so in der Schweiz, Ostdeutschland, Holstein, Belgien, Holland und Frankreich. Am bekanntesten sind die Arbeiten des holländ. Generals van den Bosch, der 1818 einen Wohltätigkeitsverein
(Maatschappij van weldadigheid) gründete, von dem neben freien Kolonien auch eine Zwangskolonie und eine Kolonie für die Unterbringung von Kindern und unabhängigen Arbeitern ins Leben gerufen wurden. Anfangs war die Entwicklung eine recht günstige, später wurden jedoch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten immer größer, so daß das Unternehmen nicht zu einem Dauererfolg führte. Das Schicksal der Koloniegründungen in den andern Ländern war noch ungünstiger. Neuerdings lebt der Grundgedanke der A., den Unterstützten Arbeit statt Almosen zu geben, in der veränderten Form der vorstädt. Kleinsiedlungen und der Nebenerwerbssiedlungen wieder auf. (→ Wohnsiedlung, Bd. 20; → Stadtrandsiedlung, Bd. 21.)