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Brockhaus
Name a Bewußtseinskunst
ID b brhe•e15•v21•b•B•Bewußtseinskunst
Category d entry
Attributes
PageID q p10700
Scan v Bewußtseinskunst
Text w

Der Große Brockhaus, 15. Aufl., Ergänzungsband A—Z (1935), S. 107.

Bewußtseinskunst, neue Romantechnik, die etwa zu Beginn des Weltkriegs vor allem in England aufkam. Die B. will eine genaue Darstellung des Ablaufs seelischer Vorgänge geben. Es liegt den Werken der B. im allgemeinen keine eigentliche Handlung zugrunde; verschiedene äußere Anreize rufen eine Flut von Gedanken, Gefühlen, Augenblicksregungen hervor, die, so wie sie auf dem Strom des Bewußtseins (stream of consciousness) herangeflossen kommen, vom Dichter aufgezeichnet werden, ohne irgendwelche logische oder ursächliche Verknüpfung, auch ohne Bewertung oder Erklärung. Die neue Romantechnik steht so im Gegensatz sowohl zum psychoanalyt. Roman, zu dessen Wesen die Deutung der Vorgänge notwendig gehört, als auch zum Entwicklungsroman,der die innere Entwicklung des Helden im Rahmen einer sinnvoll fortschreitenden Handlung schildert. Die B. arbeitet vorwiegend mit Assoziationen; Gegenwartseindrücke lösen in den Gestalten des Romans Erinnerungsbilder und Zukunftsträume aus; weit voneinander getrennte Ereignisse treten gleichzeitig ins Bewußtsein; Raum und Zeit verlieren dadurch völlig ihre festen Grenzen, sie fließen ineinander oder wechseln jäh und sprunghaft. Die sich jagenden Gedanken und Gefühle kommen auch sprachlich nicht zu vollem Ausdruck, sondern nur in syntaktisch unvollkommenen Gebilden, in Wortverdichtungen und Wortverschachtelungen. Freilich treten diese Merkmale der B. nicht bei allen ihren Vertretern voll in Erscheinung. Sie zeigen sich in gemäßigter Form bei Katherine Mansfield, Dorothy Richardson und Virginia Woolf, während sie in James Joyces »Ulysses« und vor allem in seinem neuesten Werke »Work in progress« in stärkstem Maße ausgeprägt sind. Die B. liegt durchaus in der Entwicklungslinie des psychol. Romans, der gerade in der englischen Literatur besondere Pflege gefunden hat. Auf James Joyce hat daneben nachweislich das frühe Werk von Edouard Dujardin »Les lauriers sont coupés« (1887) eingewirkt, noch weit stärker aber ist die Beeinflussung der B. durch Marcel Proust sowie durch Bergsons »Elan vital«.
References x
B. Fehr: Die engl. Literatur der Gegenwart (1930), Die engl. Literatur der heutigen Stunde (1934).

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