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Brockhaus
Name a Arbeitsbeschaffung
ID b brhe•e15•v21•b•A•Arbeitsbeschaffung
Category d entry
Attributes
PageID q p03700—p03800—p03900
Scan v Arbeitsbeschaffung
Text w

Der Große Brockhaus, 15. Aufl., Ergänzungsband A—Z (1935), S. 37—39.

Arbeitsbeschaffung, der Inbegriff aller Maßnahmen der öffentl. Hand zur Wiedereinstellung Erwerbsloser in die Arbeit. Früher deckte sich die A. im wesentlichen mit dem Begriff der »produktiven (wertschaffenden) Erwerbslosenfürsorge«, d. h. der unmittelbaren Beschäftigung von Erwerbslosen durch die öffentl. Hand bei sog. Notstandsarbeiten. Erst als 1929 durch die Weltwirtschaftskrise die Massenarbeitslosigkeit sehr großen Umfang annahm und eine Krisenüberwindung ohne Staatshilfe immer unwahrscheinlicher wurde, setzte sich in verschiedenen Ländern, bes. auch im Deutschen Reiche, die Überzeugung durch, daß nur eine großzügige staatl. A. die schweren wirtschaftl. und sozialen Schäden der Arbeitslosigkeit überwinden könne und daß dafür die Auftragserteilung direkt durch die öffentl. Hand allein schon aus finanziellen Gründen nicht ausreichen könne.
Den ersten Versuch einer A. bedeutete der sog. Papen-Plan vom Herbst 1932, dessen Grundgedanke die Wiederbelebung der Privatwirtschaft durch teilweise Rückerstattung der die Erzeugung belastenden Steuern in der Form von → Steuergutscheinen (Bd. 18) und durch Einstellungsprämien bei Mehrbeschäftigung von Arbeitern war (VO. des Reichspräsidenten zur Belebung der Wirtschaft und zur Vermehrung und Erhaltung der Arbeitsgelegenheit v. 5. Sept. 1932), wozu erstmalig der staatl. Zuschuß für Hausreparaturen trat. Unter der Regierung Schleicher folgte das sog. Sofortprogramm, bei dein der Nachdruck auf öffentl. Arbeiten und der Förderung der Siedlung lag. Beide Programme waren jedoch für eine wirkliche Überwindung der Arbeitslosigkeit nicht ausreichend.
In breitestem Rahmen ist die A. im Deutschen Reiche erst seit der Machtübernahme durch die nationalsozialist. Regierung durchgeführt worden. Nachdem mit dem Kraftfahrzeugsteuerges. v. 10. April 1933 der Anfang gemacht worden war, fand die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die wichtigste gesetzl. Grundlage in dem Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit v. 1. Juni 1933, dem eine Reihe anderer Gesetze und Verordnungen, darunter das Zweite Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit v. 21. Sept. 1933 gefolgt sind. Der Grundgedanke dieser Maßnahmen des nationalsozialist. Staates ist, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrise von verschiedenen Seiten her gleichzeitig aufzunehmen. Die Gesamtheit dieser Maßnahmen läßt sich in 3 große Hauptgruppen gliedern: 1) die unmittelbare A. durch Erteilung zusätzlicher öffentl. Aufträge vom Staat oder andern öffentl. Körperschaften, 2) die Belebung der Privatwirtschaft durch Zuschüsse oder Steuererleichterungen, 3) die Förderung des Austausches von Arbeitskräften.
Für die erste Gruppe, die unmittelbaren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bietet die wichtigste Grundlage der Abschnitt I des Ges. zur Verminderung der Arbeitslosigkeit v. 1. Juni 1933. Danach kommen als von der öffentl. Hand zu fördernde Maßnahmen in Betracht: Instandsetzungs- und Ergänzungsarbeiten an Verwaltungs- und Wohngebäuden, Brücken und anderen Baulichkeiten öffentlich-rechtl. Körperschaften, Instandsetzung von Wohngebäuden und von Wirtschaftsgebäuden landw. Betriebe, Teilung von Wohnungen, Umbau von Wohngebäuden zu Kleinwohnungen, vorstädt. Kleinsiedlung (Stadtrandsiedlung), Flußregulierungen, Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser und Elektrizität, Tiefbauarbeiten (Erdarbeiten) des Reiches, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände und Sachleistungen an Hilfsbedürftige. Die Förderung dieser Aufgaben erfolgt in den meisten Fällen durch Darlehen, z. T. auch (Wohnungsinstandsetzung oder -umbau, Tiefbauarbeiten öffentl. Körperschaften, Sachleistungen) durch Gewährung von Zuschüssen. Darlehen oder Zuschüsse dürfen nur für solche Arbeiten gegeben werden, die volkswirtschaftlich wertvoll sind und die der Träger der Arbeit oder der Eigentümer aus eigener finanzieller Kraft nicht würde ausführen können. In der Mehrzahl der Fälle liegt die unmittelbare Durchführung der Arbeiten bei öffentl. Körperschaften (Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden). Die Frist für die Beendigung der Arbeiten, für die auf Grund des Ges. v. 1. Juni 1933 Darlehen oder Zuschüsse bewilligt wurden, war ursprünglich auf den 31. März 1935 festgesetzt, wurde jedoch im Einzelfall bis zum 31. März 1936 verlängert.
Die Finanzierung dieser Arbeiten erfolgte durch → Arbeitsschatzanweisungen, Bd. 21. Eine weitere Quelle der Mittelbeschaffung bildet die im 3. Teile des Ges. v. 1. Juni 1933 geregelte »Freiwillige Spende zur Förderung der nationalen Arbeit« (Arbeitsspende). Die Finanzierung auf Grund der Arbeitsschatzanweisungen erfolgt unter Einschaltung von Kreditinstituten der öffentl. Hand, bes. der Deutschen Gesellschaft für öffentl. Arbeiten → Oeffa, Bd. 21), der Deutschen Rentenbank-Kreditanstalt, der Deutschen Siedlungsbank und der Deutschen Bau- und Bodenbank A.-G. Durch das Gebäudeinstandsetzungsges. v. 21. Sept. 1933 wurden 500 Mill. RM für Instandsetzungs- und Ergänzungsarbeiten an Gebäuden (unter Ausdehnung auf gewerbl. Betriebsgebäude) zur Verfügung gestellt, und zwar als Zuschüsse für Arbeiten, bei denen ein erheblicher Teil der Kosten (in der Regel ⁴/₅) vom Hausbesitzer selbst aufgebracht wurde, sowie als Zinszuschüsse für diejenigen Mittel, die der Hauseigentümer über den ihm gewährten Reichszuschuß hinaus aus eigenen oder Kreditmitteln aufbringt.
Zur dritten Hauptgruppe, der Förderung des Austausches von Arbeitskräften, gehört vor allem die Überführung weibl. Arbeitskräfte in die Hauswirtschaft (Befreiung der Hausgehilfinnen von der Arbeitslosenversicherungspflicht, Senkung der Einkommensteuer bei der Beschäftigung von Hausgehilfinnen) und die Förderung der Eheschließungen durch Gewährung von → Ehestandsdarlehen (Bd. 21) in den Fällen, in denen die künftige Ehefrau bei der Eheschließung ihre bisherige Arbeitsstelle freimacht. Durch eine Anordnung des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung vom 28. Aug. 1934 wird der Ersatz jugendlicher durch ältere Arbeitskräfte angestrebt, sofern für die Jugendlichen die Möglichkeit einer Unterbringung im Freiwilligen Arbeitsdienst besteht. Dieser selbst ist, abgesehen von seiner volkserzieherischen Bedeutung, ebenso wie die Einrichtung der Landhilfe (→ Landhelfer, Bd. 21) eine bedeutsame Ergänzung der A., da hierdurch für die älteren, früher bes. stark benachteiligten Arbeitskräfte Arbeitsplätze frei gemacht werden.
Ergänzend zu diesen Maßnahmen der öffentl. Hand treten die besonderen Arbeitsbeschaffungsprogramme der Deutschen Reichsbahngesellschaft und der Reichspost sowie der Bau der Reichsautobahnen.
Zur Belebung des privatwirtschaftl. Unternehmungsgeistes durch Zuschüsse dienten in erster Linie die Zuschüsse für Instandsetzungs- und Ergänzungsarbeiten an Gebäuden. Daneben ist durch die Maßnahmen der Steuererleichterung in großem Umfange die Finanzpolitik des nationalsozialist. Staates in den Dienst der A. gestellt worden, zuerst durch die Aufhebung der Kraftfahrzeugsteuer für nach dem 31. März 1933 erstmalig zugelassene Personenkraftwagen und -räder (Kraftfahrzeugsteuerges. v. 10. April 1933), wodurch eine Belebung des Absatzes der Kraftfahrzeugindustrie erzielt wurde, dann hauptsächlich durch die Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffungen (Abschnitt 2 des Ges. v. 1. Juni 1933), die der Beschäftigung vor allem in der Maschinenindustrie neuen Auftrieb gab, und durch die Steuerbefreiung für neu errichtete Kleinwohnungen und Eigenheime (Abschnitt 4 des Zweiten Ges. zur Verminderung der Arbeitslosigkeit v. 21. Sept. 1933), soweit die Kleinwohnungen in den Rechnungsjahren 1934 und 1935 und die Eigenheime in den Rechnungsjahren 1934—38 erstellt werden.
Diese sehr umfassenden Maßnahmen, die nach dem an der Schaffung der gesetzl. Maßnahmen maßgeblich beteiligten Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Reinhardt gewöhnlich als Reinhardtprogramm bezeichnet werden, wurden in ihrer Wirksamkeit durch die von der nationalsozialist. Regierung erreichte Stetigkeit der polit. Verhältnisse und durch die von allen Staats- und Parteistellen getragene sehr wirksame Förderung unterstützt. So gelang es, den bisherigen Erstarrungszustand der Wirtschaft zu lösen und die Arbeitslosigkeit so stark herunterzudrücken, wie das in keinem andern Lande der Welt in dieser Zeit in gleichem Maße möglich gewesen ist. Die Zahl der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Arbeitslosen ist in der Zeit von Ende Jan. 1932 bis Ende Mai 1935 von 6,04 Mill. auf 2 019 887 zurückgegangen. Mit zunehmender Belebung der Gesamtwirtschaft treten die öffentl. Maßnahmen zur A. zurück, von denen auf längere Frist vor allem der Bau der Reichsautobahnen berechnet ist.
Insgesamt sind bis Ende 1934 für Arbeitsbeschaffungszwecke 5050,3 Mill. RM bereitgestellt worden. Davon entfielen auf die Reichsbahn 991 Mill., auf die Reichspost 111 Mill., auf die Spende zur Förderung der nationalen Arbeit 100 Mill. RM. Von der Gesamtsumme der bereitgestellten Mittel stammten 1325 Mill. RM aus Haushaltsmitteln des Reiches und der übrigen an der Finanzierung der A. beteiligten Körperschaften, während 3125 Mill. RM mit Vorfinanzierung, d. h. unter Wechselausstellung aufgebracht worden waren.
Auch in anderen Ländern haben Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit die Durchführung öffentl. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen veranlaßt, so z. B. in Österreich, Frankreich und in den Ver.St.v.A. im Rahmen der Nirapolitik (→ N. I. R. A., Bd. 21) Roosevelts; doch haben sie nirgends den gleichen Umfang und den gleichen Erfolg auszuweisen wie im Deutschen Reich. (Vgl. Abschn. Soziale Einrichtungen der Länderartikel.)
References x
Scholtz und Herrnstadt: Handbuch der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge (1929); Internat. Arbeitsamt: Arbeitslosigkeit und öffentliche Arbeiten (1931); Reinhardt: Die Arbeitsschlacht der Reichsregierung (1933); Grünewald: Der Entscheidungskampf gegen die Arbeitslosigkeit (1934); Diesel: Deutschland arbeitet (1934).

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